Hans-Werner Sinn, Der
Corona-Schock – Wie die Wirtschaft überlebt
Freiburg i. Br. 2020, 19 Seiten,
18,00 Euro
Es gibt zwei Gründe, weshalb
man als politisch interessierter Laie berechtigt ist, dieses Buch
eines höchst renommierten Volkswirtschaftsprofessors zu besprechen:
1. Auf dem Rücken des Buches ist folgendes Zitat herausgestellt: "Der Corona-Schock könnte der Punkt
sein, an dem wir als Gesellschaft die Politik dazu bewegen, längerfristig
vorzusorgen, Risiken genauer zu beleuchten und weniger naiv zu agieren."
Der Leser ist also als Staatsbürger angesprochen, nicht als Fachwissenschaftler.
2. In
der Einleitung findet sich der Satz: "Das Buch ist keine wissenschaftliche
Abhandlung, deren Aufbau einer strengen Systematik folgt." Und weiter wird
mitgeteilt, dass Redundanzen und assoziative Sprünge sowie die Konzipierung als
Frage- und Antwortspiel der besseren Lesbarkeit dienen sollen und dass ein
Gespräch mit dem Lektor des Herder Verlages zugrunde liegt. Es handelts sich
offenbar um einen breit
gefächerten Beitrag zur politischen Debatte, vom Verlag betreut und schnell auf
den Markt geworfen.
Ungewöhnlich ist bereits das
Inhaltsverzeichnis. Es ist genau in dem
zitierten Sinn als Frage- und Antwortspiel angelegt. Anstelle von Gliederungspunkten und
Überschriften findet man die Zitate von 35 kurzen Antworten, die gefolgt werden
von den dazugehörigen Fragen des erwähnten Lektors.
Der schnelle Leser könnte
versucht sein zu sagen, er habe den Kern des Buches erfasst, wenn er diesen
Übersichtsteil überflogen hat.
Tatsächlich erfährt man
zunächst vieles, was von diesem Autor bereits wohlbekannt ist. Er referiert seine Kritik an der europäischen
Finanzpolitik. Schon in der Griechenlandkrise
sei es falsch gewesen, unter Missachtung geltender Europaverträge eine kleine
Volkswirtschaft kurz vor dem Bankrott dadurch zu retten, dass private Gläubiger
– Großbanken - durch staatliche Hilfe vor Verlusten bewahrt wurden. Der Euro schade den schwachen
Volkswirtschaften Südeuropas. Auch sei
die als gut gemeinte Corona-Hilfe in Form einer gewaltigen Geld-umverteilung
vom Norden in den Süden problematisch.
Historische Beispiele für
das unkritische Bereitstellen von Geld verdeutlichen seine Thesen, wie die
gescheiterte Politik des US Finanzministers Alexander Hamilton im 18.
Jahrhundert und die sogenannte Holländische Krankheit in den Niederlanden.
Beide Male sei von außen Geld zugeflossen, das weder zu politischer Stabilität
noch zu effizienterem und profitablem Wirtschaften geführt habe.
Er fordert von der Politik
volkswirtschaftlichen Sachverstand und das Verständnis von
marktwirtschaftlichen Prozessen. Man
müsse die Probleme der demografischen Entwicklung, der Energieversorgung und
des Klimawandels vor dem Hintergrund ökonomischer Prozesse besser analysieren
und man sollte keinen naiven Ideologien folgen.
Dabei geißelt er die
Unfähigkeit vieler Politiker, komplexe finanzpolitische Themen zu verstehen.
Ein solches Thema sei das Transfersystem der Target-Salden, das von der
Regierung immer wieder in seiner großen Gefahr für den deutschen Haushalt
heruntergespielt werde. Im Grund sei es
ein Überziehungskredit, der weder verzinst noch besichert oder zeitlich
limitiert sei. Vor allem
Kapitalflüchtlinge aus den südeuropäischen Ländern würden sich hier bedienen. Im ungünstigsten Fall könnte Deutschland auf seinen
Forderungen von über einer Billion Euro gegenüber seinen überwiegend
südeuropäischen Schuldnern sitzen bleiben.
Von den Staatsbürgern fordert
er: "Sie müssen gegen eine Politik aufbegehren, die zu einer Mischung aus
Symbol- und Klientelpolitik geworden ist, die moralisiert statt argumentiert,
die den Lebensstandard der Menschen über steigende Energiepreise vermindert und
die im Übrigen die deutsche Industrie gefährdet, von der unser aller Wohlstand
abhängt."
Die Ausschüttung großer
Mengen an Geld durch die Europäische Zentralbank würde zu einem riesigen
Schattenhaushalt in der EU führen. Es
würden im großen Stil Verschuldungen gefördert und die privaten Schulden würden
auf Kosten der Staatsbürger sozialisiert.
Das sei Sprengstoff für die politische Union.
Zum Schluss bescheinigt der
Autor der Politik, dass sie in der Coronakrise vernünftig reagiert habe, indem
sie auf wissenschaftliche Beratung hörte.
Die Lektüre des Buches ist jedem zu empfehlen, der sich für eine fundierte Kritik an der aktuellen deutschen und europäischen Finanzpolitik interessiert und seinen Blick für die volkswirtschaftlichen Aspekte schärfen möchte.
Das Buch endet mit einem Satz, den man als Kritik und Appell zugleich verstehen kann
"Die Welt kann man nur verbessern, wenn man sie sieht, wie sie ist."
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