7.10.20

Hans-Werner Sinn, Der Corona-Schock – Wie die Wirtschaft überlebt

Hans-Werner Sinn, Der Corona-Schock – Wie die Wirtschaft überlebt 

Freiburg i. Br. 2020, 19 Seiten, 18,00 Euro

Es gibt zwei Gründe, weshalb man als politisch interessierter Laie berechtigt ist, dieses Buch eines höchst renommierten Volkswirtschaftsprofessors zu besprechen:

     1. Auf dem Rücken des Buches ist folgendes Zitat herausgestellt:  "Der Corona-Schock könnte der Punkt sein, an dem wir als Gesellschaft die Politik dazu bewegen, längerfristig vorzusorgen, Risiken genauer zu beleuchten und weniger naiv zu agieren." Der Leser ist also als Staatsbürger angesprochen, nicht als Fachwissenschaftler.

2.    In der Einleitung findet sich der Satz: "Das Buch ist keine wissenschaftliche Abhandlung, deren Aufbau einer strengen Systematik folgt." Und weiter wird mitgeteilt, dass Redundanzen und assoziative Sprünge sowie die Konzipierung als Frage- und Antwortspiel der besseren Lesbarkeit dienen sollen und dass ein Gespräch mit dem Lektor des Herder Verlages zugrunde liegt. Es handelts sich offenbar um einen breit gefächerten Beitrag zur politischen Debatte, vom Verlag betreut und schnell auf den Markt geworfen.

Ungewöhnlich ist bereits das Inhaltsverzeichnis.  Es ist genau in dem zitierten Sinn als Frage- und Antwortspiel angelegt.  Anstelle von Gliederungspunkten und Überschriften findet man die Zitate von 35 kurzen Antworten, die gefolgt werden von den dazugehörigen Fragen des erwähnten Lektors.

Der schnelle Leser könnte versucht sein zu sagen, er habe den Kern des Buches erfasst, wenn er diesen Übersichtsteil überflogen hat.

Tatsächlich erfährt man zunächst vieles, was von diesem Autor bereits wohlbekannt ist.  Er referiert seine Kritik an der europäischen Finanzpolitik.  Schon in der Griechenlandkrise sei es falsch gewesen, unter Missachtung geltender Europaverträge eine kleine Volkswirtschaft kurz vor dem Bankrott dadurch zu retten, dass private Gläubiger – Großbanken - durch staatliche Hilfe vor Verlusten bewahrt wurden.  Der Euro schade den schwachen Volkswirtschaften Südeuropas.  Auch sei die als gut gemeinte Corona-Hilfe in Form einer gewaltigen Geld-umverteilung vom Norden in den Süden problematisch. 

Historische Beispiele für das unkritische Bereitstellen von Geld verdeutlichen seine Thesen, wie die gescheiterte Politik des US Finanzministers Alexander Hamilton im 18. Jahrhundert und die sogenannte Holländische Krankheit in den Niederlanden. Beide Male sei von außen Geld zugeflossen, das weder zu politischer Stabilität noch zu effizienterem und profitablem Wirtschaften geführt habe.

Er fordert von der Politik volkswirtschaftlichen Sachverstand und das Verständnis von marktwirtschaftlichen Prozessen.  Man müsse die Probleme der demografischen Entwicklung, der Energieversorgung und des Klimawandels vor dem Hintergrund ökonomischer Prozesse besser analysieren und man sollte keinen naiven Ideologien folgen.

Dabei geißelt er die Unfähigkeit vieler Politiker, komplexe finanzpolitische Themen zu verstehen. Ein solches Thema sei das Transfersystem der Target-Salden, das von der Regierung immer wieder in seiner großen Gefahr für den deutschen Haushalt heruntergespielt werde.  Im Grund sei es ein Überziehungskredit, der weder verzinst noch besichert oder zeitlich limitiert sei.  Vor allem Kapitalflüchtlinge aus den südeuropäischen Ländern würden sich hier bedienen.  Im ungünstigsten Fall könnte Deutschland auf seinen Forderungen von über einer Billion Euro gegenüber seinen überwiegend südeuropäischen Schuldnern sitzen bleiben.

Von den Staatsbürgern fordert er: "Sie müssen gegen eine Politik aufbegehren, die zu einer Mischung aus Symbol- und Klientelpolitik geworden ist, die moralisiert statt argumentiert, die den Lebensstandard der Menschen über steigende Energiepreise vermindert und die im Übrigen die deutsche Industrie gefährdet, von der unser aller Wohlstand abhängt."

Die Ausschüttung großer Mengen an Geld durch die Europäische Zentralbank würde zu einem riesigen Schattenhaushalt in der EU führen.  Es würden im großen Stil Verschuldungen gefördert und die privaten Schulden würden auf Kosten der Staatsbürger sozialisiert.  Das sei Sprengstoff für die politische Union.

Zum Schluss bescheinigt der Autor der Politik, dass sie in der Coronakrise vernünftig reagiert habe, indem sie auf wissenschaftliche Beratung hörte.

Die Lektüre des Buches ist jedem zu empfehlen, der sich für eine fundierte Kritik an der aktuellen deutschen und europäischen Finanzpolitik interessiert und seinen Blick für die volkswirtschaftlichen Aspekte schärfen möchte.  

Das Buch endet mit einem Satz, den man als Kritik und Appell zugleich verstehen kann "Die Welt kann man nur verbessern, wenn man sie sieht, wie sie ist."

Bei Amazon bestellen: Der Corona-Schock - Wie die Wirtschaft überlebt