29.2.08

"Voll krass" - Texte für den Unterricht über Migrantenliteratur

"Voll krass - Viele Jugendliche fahren ab auf ´Kanak Sprak`

Bekanntlich bezeichnet der Ausdruck "voll krass", der aus dem Slang türkischer Jugendlicher in die deutsche Jugendsprache gewandert ist, etwas Positives oder etwas sehr gut Gelungenes.
In dem hier vorzustellenden Buch findet sich ein kurzer Beitrag von Nina Schürman mit der Überschrift "Voll krass - Viele Jugendliche fahren auf ´Kanak Sprak` ab". Darin wird beschrieben, was die sprachwissen- schaftliche Feststellung "Der Ethnolekt wird zu einem Soziolekt des Deutschen." bedeutet.

"Arbeitstexte für den Unterricht" mit dem Titel "Migrantenliteratur" ist für die Sekundarstufe
Das zu besprechende Reklam-Bändchen aus der Reihe "Arbeitstexte für den Unterricht" mit dem Titel "Migrantenliteratur" ist für die Sekundarstufe herausgegeben von Peter Müller und Jasmin Cicek.
Es ist 2007 im Reclam-Verlag in Stuttgart erschienen, hat einen Umfang von 187 Seiten und kostet auch für Taschengeldbezieher erschwingliche 4,80 Euro.

Mehrere Wörter für "Ich"im Japanischen
Neben dem eingangs erwähnten Text finden sich andere, die ebenfalls der sprachlichen Seite der Integration von Immigranten gewidmet sind. Teils berichten sie über ganz persönliche Erfahrungen, teils wird über Unterschiede zwischen der Herkunftsprache und dem Deutschen nachgedacht.
Yoko Tawada aus Tokyo berichtet zum Beispiel, dass man im Japanischen mehrere Wörter für "Ich" benutzt und dass sie in ihrer Heimatsprache gezwungen sei, sich zwischen mehreren Möglichkeiten der Selbstbezeichnung zu entscheiden, und zwar zwischen "atakushi","watashi", "watakushi" für Mädchen oder "boku" bzw. "ore" für Jungen. In Europa entdeckte die junge Japanerin das deutsche Wort "Ich": "Ein Ich muss kein bestimmtes Geschlecht haben, kein Alter, keinen Status, keine Geschichte, keine Haltung, keinen Charakter. Jeder kann sich einfach "ich" nennen." (S. 121)

"Zahlen - Fakten - Hintegründe"
Im fünften Kapitel des Buches werden unter der Überschrift "Zahlen - Fakten - Hintegründe" 12 kurze Texte angeboten, die eine Vertiefung des Themas der Integration von ausländischen Zuwanderern in Deutschland ermöglichen.

Assimilation alsVerbrechen gegen die Menschlichkeit (Erdogan)
Wie dringend nötig dies ist, zeigt die von einem Bildungsdefizit gekennzeichnete Rede - nicht in diesem Buch - eines ausländischen Staatsführers, der die Assimilation seiner Landsleute in Deutschland als Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezeichnete.

Auch für deutsche Schüler
Auch deutsche Schüler können hier lernen, wie differenziert das Anpasssungsgeschehen an die Aufnahmegesellschaft zu sehen ist. Es werden unter anderem folgende Aspekte der Assimilation genannt: Sprache, Normenkenntnis, Rückkehr- oder Einbürgerungsabsicht, politisches Verhalten, formelle oder informelle Kontakte zwischen den ethnischen Gruppen, Teilnahme an Einrichtungen des Aufnahmeystems, Einkommen, Berufs- prestige, Wahrnemung von Aufstiegschancen bzw. vertikale Mobilität.

"Kleine Revolution der Amtsstatistik"
Die Notwendigkeit, das Thema unbedingt in die Schulen zu bringen, ergibt sich auch aus einer Tatsache, die in einem weiteren Textbeitrag, und zwar von Felix Berth, als "Kleine Revolution der Amtsstatistik" bezeichnet wird. Danach zeigt die neuste Statistik, "dass etwa jeder fünfte Bewohner der Republik zugewandert ist oder immigrierte Eltern oder Großeltern hat." Migrantenkinder stellten heute in der Grundschule bereits einen Anteil von genau einem Drittel der Schülerschaft. Der Text endet mit der Feststellung: "Dass Deutschland kein Einwanderungsland sei, lässt sich bei Kenntnis der neuen Daten nicht mehr behaupten."

Lyrik und Prosa von Migranten
Neben einem Quellenverzeichnis und kurz kommentierten Literaturhinweisen enthält das Buch in seinem Schlussteil Arbeitsaufträge zum Kernstück des Buches, nämlich zu der vielfältigen Sammlung von Lyrik und kurzer Prosa aus der Feder von Migranten unterschiedlichster Herkunft.

Hilfe zum Perspektivewechsel
In diesen literarischen Texten, die den Hauptteil ausmachen, wird kein Blatt vor den Mund genommen, wenn zum Beispiel Probleme mit dem Kopftuch oder enge Moralvorstellungen zur Sprache kommen. Im Klappentext des Buches heißt es zu Recht:

"Die Texte verhelfen zu einem Perspektivewechsel, sie eröffnen Einblicke in die Lebenswelt und Befindlichkeit von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland."

Günther Miklitz

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